Pfleger Franz Sitter posthum für seinen Widerstand gegen die NS-Verbrechen gewürdigt

Als einziger von mehr als 100 Personen, die in der Tötungsanstalt Hartheim tätig wurden, verweigerte der österreichische Psychiatriepfleger Franz Sitter seine Beteiligung am Massenmord. Anfang 2024 wurde ein Wohnbereich der bayerischen Betreuungseinrichtung Stiftung Attl in Wasserburg am Inn nach ihm benannt. Die Pflegeanstalt Attl war während der „Aktion T4“ eine von zahlreichen bayerischen Psychiatrien und Pflegeanstalten, aus denen PatientInnen nach Hartheim verlegt wurden.

Franz Sitter in einer Uniform der Deutschen Wehrmacht (Bildrechte: Dokumentationsstelle Hartheim/Privat)

Franz Sitter war Pfleger in der psychiatrischen Anstalt Ybbs in Niederösterreich. Im Herbst 1940 – wenige Monate zuvor hatte in Hartheim das Morden begonnen - wurde der 38-Jährige gemeinsam mit anderen PflegerInnen der Anstalt nach Hartheim versetzt. Zu seinen ersten Aufgaben zählte es, einen Transport mit PatientInnen aus der Anstalt Ybbs in die Tötungsanstalt zu begleiten, mehrere weitere Transporte aus anderen Psychiatrien folgten kurz drauf. 

Sitter wusste zu Beginn nicht, zu welchem Zweck die Abholung der Kranken erfolgte. Nachdem er von der Verwendung der Anstalt in Hartheim erfahren hatte, versuchte er, diese so rasch wie möglich wieder zu verlassen. Er forderte bei Dr. Rudolf Lonauer, dem „ärztlichen Leiter“ der Tötungsanstalt, seine Rückversetzung nach Ybbs. Trotz finanzieller Vorteile in Hartheim und der drohenden Einrückung zur Wehrmacht, auf die ihn Lonauer hinwies, beharrte Sitter auf seiner Forderung. Er konnte seinen Verbleib in Hartheim nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Tatsächlich durfte Sitter kurze Zeit später nach Ybbs zurückkehren.

Im Frühjahr 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und war in der Folge in verschiedenen Sanitätseinheiten auf österreichischem Gebiet tätig, eine Zeit lang auch im Reservelazarett in Mauer-Öhling bei Amstetten. 1943 wurde er an die Front versetzt und geriet in Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg arbeitete er bis 1967 wieder als Pfleger in Ybbs, er verstarb 1980. Trotz seines bewundernswerten Mutes sprach Franz Sitter bis zu seinem Tod nicht über sein Handeln während der NS-Zeit, seine Lebensgeschichte wurde erst im Zuge historischer Forschung bekannt und wird nun durch die Benennung des Wohnbereichs in Attl gewürdigt.